Hundezucht



Hunde kommen in den verschiedensten Phänotypen vor © Animalia

Geschichte der Hundezucht

Noch vor 100 Jahren hatte fast jeder Hund eine Aufgabe zu erfüllen: Der "Zweck" des Hundes, einfach nur Weggefährte zu sein, ist ein Trend der heutigen Zeit. Früher gab es nur wenige, meist kleinere Rassen, die als "Gesellschaftshunde" ihre Familien begleiteten, die anderen wurden für spezielle Leistungen gezüchtet. Nach dem FCI, dem größten internationalen kynologischen Dachverband, werden die Caniden in folgende Gruppen eingeteilt:

Gruppe 1: Hütehunde und Treibhunde (ohne Schweizer Sennenhunde)
Gruppe 2: Pinscher und Schnauzer- Molossoide- Schweizer Sennenhunde
Gruppe 3: Terrier
Gruppe 4: Dachshunde
Gruppe 5: Spitze und Hunde vom Urtyp
Gruppe 6: Laufhunde, Schweißhunde und verwandte Rassen
Gruppe 7: Vorstehhunde
Gruppe 8: Apportierhunde- Stöberhunde-Wasserhunde
Gruppe 9: Gesellschafts- und Begleithunde
Gruppe 10: Windhunde

Sie werden also nach Herkunft, Funktion oder Ähnlichkeit äußerlicher Merkmale untergliedert.[1]
Dabei wurde früher vor allem Wert darauf gelegt, dass ein Tier sich für die vorgesehene Arbeit eignete. Ein Apportierhund sollte die geschossene Beute möglichst "unversehrt" von scharfen Zahnabdrücken bei seinem Hundeführer abgeben. Machte er dies gut, war er ein guter Apportierhund& #45; egal, ob sein Fell kurz oder lang, golden oder weiß war.
Ein Schlittenhund sollte einen Schlitten über lange Distanzen in einem kontinuierlichen Tempo ziehen - egal, ob die Ohren perfekt dreieckig geformt oder normal waren.

Ende des 19. Jahrhunderts begann jedoch die Wende und 1873 wurde in Großbritannien der Kennel Club gegründet [2], sozusagen der erste Hundezuchtverband. Auch in Deutschland existiert seit rund 100 Jahren der "Verband für das Deutsche Hundewesen", kurz "VDH" genannt. Von nun an wurde vor allem das Exterieur des Hundes in den Vordergrund gerückt. Der Hund musste nicht mehr nur "leisten", sondern wurde auch äußerlich in ein vorbestimmtes Schema gepresst. Wer aus dem Rahmen fiel, sollte nicht zur Zucht eingesetzt werden. So wurden z.B. weiße Abzeichen an der Brust, ein paar Zentimeter zu hoher Widerrist oder Ähnliches zum Ausschlusskriterium. Die Hunde sahen sich innerhalb einer Rasse immer mehr zum Verwechseln ähnlich& #45; der Genpool verkleinerte sich. Durch den Wetteifer des "perfekten Ideals" entstanden viele Erbkrankheiten, welche meist autosomal rezessiv vererbt werden. D.h. die Hunde erkranken, wenn sie auf jedem der Chromosomenpaare ein defektes Gen tragen - eines von jedem Elternteil. Durch die Verarmung des Genpools verbreiten sich solche Mutationen rasant [3] und mit den Hunden darf oft weitergezüchtet werden. So werden in der Zucht immer wieder Hunde mit Hüftgelenksdysplasie eingesetzt. Nur HD A bedeutet "frei von Hüftgelenksdysplasie", jedoch sieht man immer wieder "geprüfte" Elterntiere mit HD B (Verdacht), HD C (leichte HD) oder HD D (mittlere HD). [4]

Dabei sollte man gerade bei den großen Verbänden doch eigentlich davon ausgehen können, dass die Zuchthunde gesundheitlich durchgecheckt sein müssen, ehe sie eingesetzt werden dürfen.
Vor kurzem gab es auf der "Cruft´s Show", einer der größten Hundeausstellungen der Welt, einen Skandal: Tierärzte disqualifizierten sechs "Rassesieger" der "Best in Show", weil sie zu krank waren.[5]

Arbeits- und Showlinie

Golden Retriever aus der Showlinie © Animalia

Aber auch vom Wesen her werden die Hunderassen verändert. Gerade Moderassen werden für den Gebrauch als "Begleithund" charakterlich "angepasst". So wird zum Beispiel vor allem bei Retrievern zwischen der "Show- und Arbeitslinie" unterschieden. Die Züchter der Arbeitslinie konzentrieren sich weiterhin auf Hunde, die sich für die Jagd eignen und hervorragende Apportierleistungen erbringen. Die Hunde sind meist feingliedriger, leichter und schlanker gebaut, mit längeren Beinen als die Hunde der Standardzucht. Sie leiden seltener unter Ellbogen- oder Hüftgelenksdysplasie, weisen insgesamt weniger Krankheiten auf und sind in ihrer gesamten Konstitution auf Leistung und Arbeitswillen ausgerichtet.
Ein solcher "Arbeitshund" will und muss gefördert werden. Er ist kein "Nebenbeihund" und somit für viele Familien, die einen "hübschen Golden Retriever" haben wollen, nicht geeignet.
Diese greifen dann eher auf die Showlinie zurück, wo die optische Erscheinung im Vordergrund steht. Der Hund soll in Spezialzuchtschauen gut abschneiden. Die meisten Showhunde haben einen schwereren Knochenbau, einen stärkeren Kopf und wirken allgemein gedrungener. Einigen hat man gar den Arbeitswillen "weg gezüchtet". Ein "Soft-Retriever" sozusagen. [6]

Labrador Retriever aus der Arbeitslinie © Animalia

Auch der Deutsche Schäferhund wurde stark verändert. Ursprünglich ein Hund, der, wie sein Name es schon sagt, Schäfer begleitete, wurde er im 19./20. Jahrhundert als Gebrauchshund im Krieg, bei der Polizei und im Rettungsdienst berühmt. Er zeichnete sich durch seine Loyalität, seinen Arbeitswillen, seinen Mut, sowie durch seine Kraft und Ausdauer aus. Er wurde auf der ganzen Welt berühmt und gehört noch heute in Deutschland zu den beliebtesten Hunderassen. Doch was ist aus dem Powerpaket geworden? Eine neue Schönheitsvorstellung wurde dem wolfsähnlichen Hund zum Verhängnis.

Ist der Deutsche Schäferhund am Ende? © Animalia

Man wollte einen Schäferhund mit abfallendem Rücken. Die Hinterhand wurde so runter gezüchtet, dass die Hunde mehr kriechen als laufen. Kaputte Knie, Hüftgelenksdysplasien und Arthrose sind die unausweichlichen Folgen. Schäferhunde sind oft schon als Welpen "krank". Sie müssen im frühsten Alter operiert oder medikamentös behandelt werden. Aus einem Hochleistungshund wurde ein Krüppel&; im Namen eines Schönheitsideals.
Heute wird der Deutsche Schäferhund als Gebrauchshund von seinem belgischen Verwandten verdrängt. Dieser hat nämlich noch einen gesunden Körperbau und somit neben den psychischen auch die physischen Voraussetzungen für diesen Dienst.
Glücklicherweise denken manche Züchter nun um und versuchen, wieder gesunde Deutsche Schäferhunde mit geradem Rücken und idealem Leistungspotential zu erzielen.

Grün-Blau zeigt den ursprünglichen Schäferhund, Gelb-Grün den Heutigen © Wikipedia

Der Border Collie ist ein weiteres Beispiel, wie Modeerscheinungen einen Arbeitshund zum Kuscheltier degradieren. In England und Schottland entstanden im 16. Jahrhundert Hütehunde von unschätzbarem Wert. Sie wurden einfach nur "Collies" genannt, was vermutlich so viel wie "Nützlich" bedeutet. Border Collies zeichnen sich durch ihre Gehorsamkeit, ihren Ehrgeiz und ihre überdurchschnittliche Intelligenz aus. Sie sind mit einem hohen Maß an "Will to please" ausgestattet und arbeiten auf einzigartige Art und Weise mit dem Schäfer zusammen. 1906 wurde die International Sheep Dog Society gegründet. Hier wurden Hunde aufgenommen, deren einziges Kriterium die Hüteleistung war.
Doch als der Border Collie auch außerhalb der Hütekreise immer beliebter wurde, ging es plötzlich wieder um Körperbau, Haarlänge oder Fellfarben. [7]
Heute mag man kaum glauben, dass die Hunde der Arbeits- und der Showlinie der gleichen Rasse entsprechen sollen. Oft wird gar der ursprüngliche Border Collie für einen Mischling gehalten.
Ähnlich wie bei den Retrievern, sind die "arbeitenden Border Collies" von schlankerer Gestalt, wendiger und arbeitswilliger als die Vertreter der Showlinie, die manchmal gar wie plüschige Teddybären anmuten. Sie werden oft von den Schäfern als "Showknollen" belächelt.

Der Border Collie wird nur mit einer "Aufgabe" glücklich © Animalia

Die Zukunft?

Fraglich ist, ob wir den Hunden damit einen Gefallen tun. Wenn man einer Rasse ihre ursprünglichen Eigenschaften abzüchtet und nur einen ähnlichen Phänotyp übriglässt, dann mag das vielleicht für viele Menschen der modernen Gesellschaft bequem sein, da sie die Rasse, die sie "schön" finden, halten können, ohne sich eingehend mit ihren Bedürfnissen auseinandergesetzt zu haben. Aber der Kern der Rasse bleibt doch immer erhalten, egal ob Arbeits- oder Showlinie.

Es ist nicht vertretbar, mit kranken Hunden zu züchten, nur um einem Schönheitsideal nachzujagen.
Glücklicherweise scheint die Hundewelt langsam umzudenken. Es gibt immer mehr Projekte, die überzüchtete Hunderassen zu ihrem Ursprung zurückführen wollen.
So versucht man z.B. durch Kreuzungen mit Parson Jack Russeln und bald vielleicht auch Pinschern dem Mops wieder zu einer längeren Schnauze zu verhelfen, damit er wieder besser atmen kann. Die Gesundheit und das Wesen des Mopses sollen in den Vordergrund rücken, während die krankmachenden Schönheitsvorstellungen ausgebessert werden sollen. [8] Der "Retromops" wird jedoch nicht vom VDH anerkannt.

Vielleicht wäre jedoch der beste Weg für Mensch und Hund, dass die Arbeitshunde wieder nur im Kreise ihres "Arbeitsbereiches" gezüchtet werden und sich Menschen, die einen vierbeinigen Begleiter suchen, an Tierheime wenden, um dort den Hund zu finden, der charakterlich und physisch zu ihren Vorstellungen passt. Egal ob Mischling oder Rassehund.

[1]http://www.vdh.de
[2]http://www.thekennelclub.org.uk/
[3]http://www.wer-ist-fido.de/rassedispositionen.html
[4]http://www.hunde.com/schule/Zuchtvor.html
[5]http://superflys.de/2012/03/12/tierarzt-stoppt-best-in-show/?jal_no_js=true&poll_id=444
[6]http://www.vita-assistenzhunde.de/konzept-und-info/haeufig-gestellte-fragen
[7]aus dem Buch "Border Collies" von Dr. Hans Alfred Müller, Kynos Verlag
[8] http://www.retro-mops.de/index.php/ein-neuer-weg

Videos:

Deutscher Schäferhund am Ende

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